Der KPÖ Wahlsieg in Graz, ein fragwürdiges Signal aus internationaler Perspektive
30.09.2021

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Dietmar Pichler, ist aktives Mitglied bei Unlimited Democracy, Vorstandsmitglied für internationale Beziehungen bei Vienna goes Europe und Programmdirektor beim Zentrum für Digitale Medienkompetenz (zentrumsocialmedia.com), das sich der Bekämpfung von Desinformation und der Entwicklung von Medienkompetenz verschrieben hat.

Ganz Österreich spricht über den überraschenden Wahlsieg Elke Kahrs bei der Gemeinderatswahl in Graz. Lokalstar Elke Kahr ist gelungen, was vielen Politikern nicht mehr gelingt: Sie hat sich als volksnahe Erscheinung nicht nur Prominenz, sondern auch Glaubwürdigkeit erarbeitet.

Einen großen Teil ihres Einkommens spendet sie bereits seit Jahren, auch den persönlichen Austausch pflegt sie konsequent. Darauf und auf einer gewissen politischen Proteststimmung in Graz basiert wohl ihr fulminanter Wahlerfolg für die KPÖ.

Österreichs linke Szene, teilweise sogar die liberal-progressiven Vertreterinnen und Vertreter reagierten mit Begeisterung, weit über die KPÖ-Wählerschaft hinaus. Die KPÖ-Graz hätte ja gar nichts mit der KPÖ zu tun, keinen Bezug zum Realsozialismus und überhaupt wären das ja gar keine Kommunistinnen und Kommunisten, sondern nur “echte Sozialdemokraten”. Diese Fehleinschätzung entlarvt sich rasch, wenn man auf die außenpolitischen bzw. europapolitischen Positionen von Elke Kahr, der KPÖ-Graz und der KPÖ Steiermark achtet.

Elke Kahr machte noch im Jahr 2015 die Europäische Union für das „Elend in der Ukraine und Nordafrika“ verantwortlich: „EU verursacht Elend und Krieg wo es um Rohstoffe und Einflusssphären geht – etwa in der Ukraine und im Norden Afrikas.“ Russland wurde in diesem Zusammenhang mit keinem Wort erwähnt. Publiziert wurde diese „EU-kritische“ Position als Statement zum Hiroshimatag mit dem freundlichen Titel „Das Geschäft mit dem Tod ist profitabel".

Elke Kahr hat aber auch noch andere Statements zur internationalen Politik veröffentlicht:

So spricht sie in einem Statement zum 60. Jahrestags des Staatsvertrags vom schrittweisen Abbau der österreichischen Neutralität seit dem EU Beitritt und von der “Gefahr einer Europäischen Armee”. Im gleichen Text werden auch die EU-Sanktionen gegen Russland kritisch erwähnt. Eine unklare Haltung zu Russland gibt es auch in der KPÖ-Steiermark: 2020 fuhr eine Delegation der KPÖ Steiermark in den von prorussischen Extremisten und russischen Militärs/Nationalisten kontrollierten Teil der Donbass-Region. Mit dem Georgsband (ein russisches Militärsymbol noch aus dem Kaiserreich, von Stalin später reaktiviert) posierte man für Gruppenfotos. Wie das mit „aktiver Neutralitätspolitik“ vereinbar ist, wenn mit einem Symbol hantiert wird, das im 21. Jahrhundert für russischen Nationalismus und Expansionspläne steht, blieben die Akteure schuldig. Die KPÖ Steiermark lässt allerdings auch bei Ihrem Wahlprogramm keinen Zweifel an einer typischen KP-Haltung aus der Zeit des kalten Krieges. Wie ein roter Faden zieht sich die Sympathie für Kuba, Venezuela, Bolivien, der beinahe unkritische Respekt für den Erfolg Chinas und eine umgekehrt dämonisierende Haltung gegenüber den Vereinigten Staaten und der Europäischen Einigung. Aus europäischer Perspektive ist das besonders fragwürdig, wenn man bedenkt, dass all diese Staaten, nicht nur auf UN-Ebene, treue Verbündete des belarusischen Autokraten Lukaschenko sind. Eine Verbindung, die nicht nur indirekten Bezug hat: Die auf Osteuropa spezialisierte Journalistin Simone Brunner zitiert auf Twitter: “Der steirische KPÖ-Landtagsabgeordnete Werner Murgg besuchte im August Minsk. Es herrsche dort "Ordnung und Stabilität", ein ganz anderes Bild, als in den Medien gezeichnet werde.” 

Ein negativer Höhepunkt im Jahr 2019, war die Grazer Gemeinderatssitzung, wo die KPÖ als einzige Partei einen Antrag gegen Antisemitismus und die antisemitische, israelfeindliche BDS-Bewegung nicht unterstützt hat.

Weder die KPÖ-Graz noch die KPÖ-Steiermark lassen sich also auf „soziales Engagement“ und Kommunal- bzw. Landespolitik reduzieren. Elke Kahr sagte kürzlich bei einem Interview auf die Frage, ob man den Namen „KPÖ“ nicht ändern wollte, sie möchte keinen „Etikettenschwindel“ betreiben, man kenne die Partei mit diesem Namen. Tatsächlich keinen „Etikettenschwindel“ gibt es jedenfalls in der Steiermark und Graz bezüglich der internationalen Positionen der KPÖ. Da wundert es auch nicht, dass sich in der „Likeliste“ des neuen KPÖ-Stadtrats Manfred Eber auf Facebook unter anderem die russischen Propagandasender

RT (Russia Today) & Sputnik News, die verschwörungsideologische und prorussische Seite

„Anti-Spiegel.RU“ („Pandemie wurde seit 2017 geplant“), sowie staatlich kontrollierte chinesische Medien oder pro Donbass Separatisten Seiten befinden. Da mutet die von ihm ebenso abonnierte Facebookseite „DDR-Erinnerungen“ fast schon harmlos an, was Kati Schneeberger, grüne Lokalpolitikerin und Präsidentin von Vienna goes Europa, allerdings anders sieht: „Ich bin selbst in der DDR aufgewachsen und weiß schon allein deshalb ein demokratisches System zu schätzen. Bei allem Respekt für soziale und bürgerInnennahe Kommunalpolitik, die grundsätzlich zu begrüßen ist, aber diese europapolitischen und internationalen Positionen der KPÖ finde ich erschreckend. Sie stehen gemeinsam mit dem Parteinamen für eine Ideologie, die an dunkle Zeiten des Realsozialismus erinnert und an Parteien, die für ein durch Mauern gespaltenes Europa verantwortlich waren.“

Die Ukrainerin und Präsidentin von Unlimited Democracy Anna Pattermann schließt sich der Kritik an: “Als Unlimited Democracy sind wir sowohl zur Aufklärung über historische Diktaturen und Autokratien, wie auch autoritären Staaten der Gegenwart verpflichtet. Sowjetnostalgie oder die prorussisch motivierte Dämonisierung der Ukraine haben nichts mit Neutralität oder gar Friedenspolitik zu tun.”

Die Autorin und Europaktivistin mit georgischen Wurzeln, Nini Tsiklauri, hat auch wenig Verständnis für die Positionen der KPÖ: „Die Sowjetunion hat das unabhängige Georgien bereits vor 100 Jahren besetzt und der Krieg um die Freiheit und Rechtsstaatlichkeit meines Landes hat niemals geendet, wie ich auch 2008 selbst vor Ort erleben musste. Als überzeugte Europäerin, muss ich auch das unverantwortliche und undifferenzierte EU Bashing der KPÖ kritisieren.“

Der Politikwissenschaftler Dr. Martin Malek bemerkt zum Wahlergebnis in Graz::"Von der 'Stadt der Volkserhebung' von 1938 über FPÖ-Bürgermeister Alexander Götz (1973-1983) zur Grazer Kommune: wie sich das politische Spektrum einer Landeshauptstadt von einem Extrem zum anderen verschob."

Quellen:

https://www.kpoe-graz.at/60-jahre-staatsvertrag-auch-heute-fuer-die-neutralitaet-eintreten.phtml

https://www.kpoe-graz.at/das-geschaeft-mit-dem-tod-ist-profitabel.phtml

https://www.falter.at/zeitung/20200826/hat-graz-ein-problem-mit-antisemitismus--herr-rosen/_cf9d45d9ed

https://www.tt.com/artikel/15605535/delegation-aus-oesterreich-plant-reise-in-donezker-volksrepublik

Tweet von Simone Brunner
https://twitter.com/fraeuleinfroehl/status/1442815155361009669